Woody Allen: A Documentary Review

by Oliver Kaever

woody allen a documentaryEine Dokumentation über Woody Allen, die Einblick in Leben und Schaffen des notorisch scheuen Filmemachers gewährt, war schon lange überfällig. Regisseur Robert B. Weide ist es endlich gelungen, ihn dafür vor die Kamera zu bekommen – und das ausführlich. Zwei Jahre lang filmte er Allen bei Dreharbeiten, in Cannes und Brooklyn, befragte ihn zu seinen Anfängen als Gagschreiber und seiner Arbeitsweise als Drehbuchautor und Regisseur. Viele Wegbegleiter kommen zu Wort, von Allens Schwester über Mariel Hemingway, John Cusack und Diane Keaton bis zu Martin Scorsese. Dabei fördert Weide wenig zu Tage, was der Allen-Kenner nicht schon wüsste. Aber der Film, der in den USA im Rahmen der „American Masters“-Serie im Fernsehen lief, macht wieder wach für diesen Ausnahme-Filmemacher, an dessen selbstverständliche Präsenz man sich viel zu sehr gewöhnt hat.

Website: www.woody-doc- derfilm.de

originaltitel: Woody Allen: A Documentary USA 2011
Regie & Buch: Robert B. Weide
Länge: 113 minutes
Verleih: NFP marketing and distribution
Kinostart 5 July 2012

FILMKRITIK:

Jedes Jahr ein neuer Woody Allen – da treten selbst bei seinen größten Fans Ermüdungserscheinungen auf. Spätestens mit dem Jahr 2000 schien es, als wiederhole er sich nur noch und liefere den immer gleichen Film mit jeweils anderem Titel ab. Bis durch das Krimi-Meisterwerk „Match Point“ (2005) klar wurde, dass man Allen längst noch nicht abschreiben darf. Das zeigt auch sein jüngster Spielfilm: „Midnight in Paris“ verhalf ihm nicht nur zum dritten Oscar für das beste Original-Drehbuch, sondern wurde auch zu seinem bisher größten Publikumserfolg. Warum er so viel dreht? Woody Allen erklärt es in dieser Doku mit dem für ihn typischen Understatement so: Ein echtes Meisterwerk zu schaffen sei ihm in diesem Leben wohl nicht vergönnt, aber ein hoher Output erhöhe die Chance, das wenigstens einige seiner Filme brauchbar seien.

An ungebremster Kreativität mangelt es Woody Allen jedenfalls nicht. Er führt Weide in sein Schlafzimmer, wo er mit der Hand Drehbücher schreibt, um sie später auf seiner 40 Jahre alten deutschen Schreibmaschine abzutippen. Im Nachttisch liegt ein wildes Konvolut von Zetteln, das ihm als Ideensammlung dient. Nach ihrem Umfang zu urteilen, sind die nächsten zehn Filme gesichert. Es sind intime Einblicke wie dieser, die ohne jede Beweihräucherung auskommen und doch eine gewisse Ehrfurcht heraufbeschwören. Weide, dessen eigene Arbeiten wie die Serie „Curb Your Enthusiasm“ stark von Woody Allen beeinflusst sind, macht nie einen Hehl aus seiner Sympathie für den Filmemacher.

Vielleicht fehlt die nötige dokumentarische Distanz, aber der Film ermöglicht dafür einen unmittelbaren Zugang zu Allens Universum. Er erzählt vom Werdegang des Künstlers, wobei vor allem dessen frühe Jahre als Gagschreiber und Stand-Up-Comedian spannend sind. Ausschnitte aus TV-Shows der frühen Sechziger zeigen einen jungen, clownesken Woody Allen, der sich nicht zu schade war, mit einem sprechenden Hund aufzutreten. Vor diesem Hintergrund ist seine Entwicklung als Filmregisseur von Klamauk wie „Bananas“ (1971) zu den künstlerischen Triumphen „Der Stadtneurotiker“ (1977), „Manhattan“ (1979) oder „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1990) umso erstaunlicher . Weide begnügt sich hier nicht mit einer simplen Nachzeichnung von Allens Karriere, sondern arbeitet seine Bedeutung für die Filmkomödie heraus. So kommt auch der legendäre Kameramann Gordon Willis zu Wort, den Allen mehrfach engagierte – damals unerhört für Filme, die doch eigentlich „nur“ lustig und nicht Kunst sein sollten.

Vor allem aber gelingt es der Doku auf wunderbar anrührende Weise, den Menschen Woody Allen hinter der Kunstfigur sichtbar zu machen – und zu zeigen, wie untrennbar beide miteinander verbunden sind. So wandert Weide mit ihm durch die Straßen seiner Heimat Brooklyn und lässt ihn von seiner glücklichen Kindheit in einer jüdischen Großfamilie erzählen. Man spürt in diesen Szenen ganz deutlich, woher die Nostalgie und sanfte Wehmut rühren, die alle seine Werke durchzieht. Und wünscht ihm und uns noch viele Woody-Allen-Filme.

woody collage