"Woody Allen: A Documentary"
Vom Stand Upper zur Kunstfigur

By Von Sebastian Ko

Seine Brille ist sein Markenzeichen, er ist schmächtig und der Inbegriff des New Yorker Neurotikers: Woody Allen hat in den letzten 42 Jahren über 50 Filme gedreht und kaum ein anderer Filmemacher hat soviele Oscars (4!) und Nominierungen in der Tasche - zuletzt mit "Midnight In Paris" der sogar zu Allens kommerziellsten Erfolg avancierte. Umso erstaunlicher also, dass erst jetzt die erste amtliche Doku gibt: "Woody Allen: A Documentary".

Lange mussten die Woody-Allen-Fans warten, bis der Meister endlich eine Doku über sich zugelassen hat. Der öffentlichkeitsscheue Allen, der lieber Klarinette spielt, als über den Roten Teppich zur eigenen Oscarverleihung zu flanieren, gewährt hier dem renommierten Dokumentar-Filmer Robert B. Weide tatsächlich Einblick in seinen Arbeitsprozess: Ob am Filmset von "Der Mann meiner Träume" oder im Schlafzimmer, wo Allen aus einer Nachtischschublade seine Loseblattsammlung zieht, mit Ideen für neue Drehbücher. Oder besonders kurios: Wie Woody Allen seine Drehbücher immer noch auf seiner alten deutschen Schreibmaschine tippt, die er mit zarten 16 Jahren erworben hat. Flankiert wird das Ganze von Interviews mit Weggefährten, Schauspielern, Familie und Freunden - und jeder Menge Filmausschnitte und Archivaufnahmen.

Vom Stand Up Comedian zur Kunstfigur

Woody Allen Ducmentary, Rechte: NFP Immer mit Hornbrille: Woody Allen

Die Vorgehensweise der Doku ist etwas brav: Chronologisch wird Woody Allens Kindheit abgearbeitet, seine Anfänge als Gagschreiber für Zeitungen im Schulalter, seine Karriere als Stand Up Comedian, Drehbuchautor und schliesslich als Filmemacher, der in über vier Jahrzehnten unterschiedliche Schaffensphasen durchlebt hat. Von seinen frühen, eher Slapstick-artigen Komödien wie "Bananas", seinem künstlerischen Durchbruch mit "Annie Hall (Der Stadtneurotiker)" bis zu einen letzten Werken, die vornehmlich in Europa gedreht und produziert wurden.

Faszinierend sind dabei vor allem die frühen Jahre Allens, in denen nachvollziehbar wird, wie aus dem jungen Allan Stewart Königstein aus Brooklyn 'Woody Allen' wird: Eine Kunstfigur, der er bewusst diese Brille aufgesetzt hat, inklusive eigenem Sprechstil und Künstlernamen. Seine Neurosen und Ängste dagegen nehmen nur wenig Platz ein, zwar schimmert immer wieder eine latente Depressivität durch, gleich einem traurigen Clown - inklusive seiner ersten Existenzkrise mit zarten fünf Jahren, was Weide zu einem etwas weit hergeholten Camus-Vergleich verleitet.

Kaum private Details

Woody Allen Ducmentary, Rechte: NFP Woody "Sapßvogel" Allen

Doch was die Person Woody Allen hinter seinem Schaffen ausmacht kommt etwas zu kurz: Weder wird näher auf seine Beziehungen zu Frauen und den grandiosen Frauenfiguren, die er in seinen Filmen erschaffen hat, eingegangen, noch nimmt der Skandal mit Exfrau Mia Farrow und der Heirat seiner Adoptivtochter größeren Platz ein. Hier hätte Dokufilmer Weide kritischer und hinterfragender sein können. Dennoch: "Woody Allen: A Documentary" ist vielleicht nicht die originellste Doku gelungen, aber eine insgesamt fundierte, umfassende Auseinandersetzung über einen der größten und einflussreichsten Filmemacher aller Zeiten. Und sie macht Lust auf mehr Woody Allen, gerade auch dann, wenn man noch nicht so viele Filme von ihm gesehen hat.

woody collage